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Mehrsprachigkeit im Fachunterricht: Schülerinnen und Schüler nutzen ihr gesamtes sprachliches Potenzial.

Forschungswissen für Ihre Praxis

Immer mehr Jugendliche in Deutschland wachsen zweisprachig auf. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen in Mehrsprachigkeit eine große Chance und gute Grundlage für erfolgreiches Lernen. Sie verweisen auf die lernförderliche Wirkung, wenn Schülerinnen und Schüler beim inhaltlichen Lernen auf ihr gesamtes sprachliches Repertoire zurückgreifen und ihre sprachlichen Erfahrungen und Fähigkeiten für das fachliche Lernen mobilisieren. Wie kann Mehrsprachigkeit vor diesem Hintergrund ganz konkret im Unterricht genutzt werden? Wie muss Fachunterricht gestaltet sein, um inhaltliches und sprachliches Lernen zu verzahnen? Wir haben im Rahmen unseres Fortbildungsbereichs Hybrider Lernraum Expertinnen der Universität Hamburg nach ihren Erkenntnissen aus dem Forschungsprojekt »Physikunterricht im Kontext sprachlicher Diversität (PhyDiv)« gefragt und nach Methoden zur Umsetzung in der Bildungspraxis.

Mehrsprachigkeit im Fachunterricht

Das PhyDiv-Projekt

Die Abkürzung »PhyDiv« steht für »Physikunterricht im Kontext sprachlicher Diversität«. Ziel des Projekts ist die Entwicklung und Überprüfung von Ansätzen im Unterricht, die durch Berücksichtigung der sprachlichen Zusammensetzung der Lerngruppe zu besseren Lernergebnissen im Unterrichtsfach führen. »PhyDiv« ist ein Kooperationsprojekt der Fachbereiche Didaktik der Physik und Interkulturelle und International Vergleichende Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

Mehr Infos

PhyDiv-Team an der Universität Hamburg
  • Prof. Dr. Dr. h.c. Ingrid Gogolin, Professorin für Interkulturelle und International Vergleichende Erziehungswissenschaft mit Forschungsschwerpunkt »Sprachliche Bildung und Mehrsprachigkeit«.
  • Prof. Dr. Dietmar Höttecke, Professor für Didaktik der Physik.
  • Dr. Jule Böhmer, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Erziehungswissenschaft.
  • Dr. Hanne Brandt, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät Erziehungswissenschaft.
  • Dr. Regina Schauer, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät Erziehungswissenschaft.

Bei Fragen zum Thema »Mehrsprachigkeit im Fachunterricht« senden Sie gerne eine E-Mail an:

Dr. Jule Böhmer

Dr. Hanne Brandt

Teil des Hybriden Lernraums

Die Ausführungen zur Mehrsprachigkeit im Fachunterricht sind Teil des Hybriden Lernraums von Bildung & Begabung. Hier finden Sie als Lehrkräfte und außerschulische Bildungspraktikerinnen und Bildungspraktiker Methodenwissen, Informationen und Praxistipps von Experten und Expertinnen aus Wissenschaft und Praxis.

Zum Hybriden Lernraum

Bei Fragen zum Hybriden Lernraum schreiben Sie uns gerne:

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Darum geht es

Die Einbeziehung von Mehrsprachigkeit in den Fachunterricht steigert das fachliche Verständnis von Schülerinnen und Schülern indem ihnen ermöglicht wird, ihre gesamten sprachlichen Fähigkeiten für das inhaltliche Lernen zu nutzen.

Team der Universität Hamburg

Das Wissen dahinter

»Mehrsprachig« sind in Deutschland Kinder und Jugendliche, die mit zwei oder mehr Sprachen in der Familie aufwachsen und leben (auch mit Dialekt und Standard-Deutsch) oder mindestens eine Fremdsprache in der Schule lernen. Damit sind eigentlich alle Kinder und Jugendlichen, die in Deutschland eine Schule durchlaufen, in der einen oder anderen Form mehrsprachig. Sie besitzen sprachliche Erfahrungen und Fähigkeiten, die über das »Deutsch der Schule« hinausgehen.

Die Einbeziehung von Mehrsprachigkeit in den Fachunterricht dient dazu, alle sprachlichen Erfahrungen und Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern für das fachliche Lernen zu mobilisieren. Dies ist besonders wichtig im Prozess des Verstehens von Konzepten, die mit speziellen Ausdrucksweisen beim fachlichen Lernen verbunden sind. Das Wort »Energie« verdeutlicht dies beispielhaft: Wird es im Physikunterricht verwendet, hat es eine andere Bedeutung als im Sportunterricht oder beim Sprechen über Fragen des Glaubens.

Schülerinnen und Schüler entwickeln neues Verstehen unterschiedlicher Konzepte auf der Grundlage ihres vorherigen sprachlichen Könnens und Wissens. Dieses Verstehen ist immer auch von ihrem sprachlichen Alltag geprägt, von Erfahrungen aus der Familie und dem Umfeld. Aufgabe des Unterrichts ist es, die Lernenden von diesen Erfahrungen zum fachlich angemessenen Konzept zu leiten. Der Fachunterricht geht daher bei der Einführung eines neuen Konzepts oft von sprachlichen Alltagserfahrungen der Schülerinnen und Schüler aus. Diese Alltagserfahrungen umfassen im Falle der Mehrsprachigkeit auch unterschiedlich intensive Erfahrungen mit anderen Sprachen als (Standard-)Deutsch. Sie können aus dem alltäglichen Sprachgebrauch stammen, aus Medien oder aus dem Sprachunterricht.

Bei der Einbeziehung von Mehrsprachigkeit in den Fachunterricht geht es entsprechend darum, Lernenden die Möglichkeit zu geben, ihre gesamten sprachlichen Fähigkeiten beim Lernen zu nutzen.

Viele Schülerinnen und Schüler aus Familien mit Migrationsgeschichte machen die Erfahrung, dass ihre familiensprachlichen Fähigkeiten1 beim schulischen Lernen keine Rolle spielen und dass sie ihre sprachlichen Fähigkeiten im Lernprozess nicht einsetzen können. Dabei ist das Zurückgreifen auf das gesamte sprachliche Repertoire beim inhaltlichen Lernen nicht nur für das Durchdringen schwieriger Aufgaben und das Verstehen neuer Inhalte von Vorteil. Es unterstützt auch die Motivation für das Lernen und hilft dabei, dass Lernende sich selbst als fähig, als in ihrer Persönlichkeit angenommen erfahren.

Beobachtungen zeigen, dass Schülerinnen und Schüler es nicht gewohnt sind, ihre Familiensprachen in der Schule, im Unterricht »offiziell« zu verwenden. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, mit ihnen gemeinsam zu thematisieren, warum sie ihre gesamten sprachlichen Fähigkeiten in bestimmten Arbeitsphasen nutzen sollen und dürfen. Zudem braucht es Zeit, damit Lernende Vertrauen darin aufbauen, ihre Familiensprachen zum inhaltlichen und sprachlichen Lernen einsetzen zu dürfen. Wenn ein mehrsprachigkeitsoffenes Lernklima eingeführt ist und Schülerinnen und Schüler regelmäßig ihre familiensprachlichen Fähigkeiten zur Erschließung neuer Inhalte zu Hilfe nehmen können, werden sie lernen, diese Strategie erfolgreich für ihr Lernen einzusetzen.

Um die individuelle Mehrsprachigkeit der Lernenden in den Unterricht einzubeziehen, bieten sich verschiedene Ansätze und Methoden an. Drei von ihnen werden im Folgenden erläutert.

Team der Universität Hamburg

Drei Methoden zum Thema

Definition

1Familiensprachliche Fähigkeiten sind alle sprachlichen Fähigkeiten außerhalb des Deutschen, die Kinder und Jugendliche in ihren Familien erwerben. Sie beschränken sich häufig auf alltagssprachliche, mündliche Kommunikation. Weniger als 10 Prozent der Kinder mit familiensprachlichen Fähigkeiten haben die Möglichkeit, im deutschen Schulsystem auch Unterricht in diesen Sprachen zu erhalten und schriftsprachliche Fähigkeiten darin zu entwickeln.

Team der Universität Hamburg

Zum PhyDiv-Projekt der Universität Hamburg

»PhyDiv« steht für »Physikunterricht im Kontext sprachlicher Diversität«. Das Projekt untersucht, wie Fachunterricht gestaltet werden kann, um inhaltliches und sprachliches Lernen zu verzahnen. Die Untersuchung wird exemplarisch im Fach Physik durchgeführt. Geklärt werden soll die Frage, ob und unter welchen Bedingungen sich für den Lernerfolg ein Mehrwert erzielen lässt, wenn Schülerinnen und Schüler systematisch dabei unterstützt werden, ihr gesamtes sprachliches Repertoire einzusetzen, um fachliche Inhalte zu verstehen. Hierfür wurde eine Unterrichtseinheit im Umfang von sechs Doppelstunden zum Thema »Energie« für den Jahrgang 9 entwickelt. Die Unterrichtseinheit verfügt über drei Varianten:

  • Variante 1: »Normaler« Physikunterricht, der den Qualitätskriterien an guten Unterricht entspricht.
  • Variante 2: Physikunterricht, bei dem die Verzahnung inhaltlichen und sprachlichen Lernens für jede Unterrichtsstunde explizit mitgedacht wird.
  • Variante 3: Physikunterricht, bei dem die Verzahnung inhaltlichen und sprachlichen Lernens für jede Unterrichtsstunde mitgedacht wird und bei dem, ergänzend zu Variante 2, die Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler im Unterricht explizit berücksichtigt wird, indem sie in Partner- und Gruppenarbeitsphasen ihre Familiensprachen als Arbeitssprache nutzen können.

PhyDiv ist ein Kooperationsprojekt der Fachbereiche Didaktik der Physik und Interkulturelle und International Vergleichende Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Am PhyDiv-Projekt nahmen und nehmen in den Schuljahren 2022/23 und 2023/24 insgesamt 35 Klassen an sieben verschiedenen Hamburger Stadtteilschulen teil.

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Hybrider Lernraum

Das Thema »Mehrsprachigkeit im Fachunterricht« ist Teil des Hybriden Lernraums. Hier finden Sie für Ihre Arbeit in Schule oder an außerschulischen Lernorten Methoden, Informationen und Praxistipps aus Wissenschaft und Praxis – als Texte, Podcasts, Videos oder Workshops.

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