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Nachhaltige Veränderungen bewirken

Wie kann ich als Lehrkraft wirksamer unterrichten, ohne erst das ganze System umzubauen? Das Kollegium ins Boot holen und mit Widerstand gegen Veränderungen umgehen? Klare Routinen, kleine Schritte, verlässliche Verantwortlichkeiten und Feedback der Lernenden als Kompass – das sind für Stefan Wolf, Lernbegleiter an der Peter Gläsel Schule in Detmold, die wichtigsten Kernpunkte. Fokussierte Lernzyklen und vorab definierte Erfolgskriterien, sagt Stefan Wolf, können nachhaltige Veränderungen im Unterricht und Kollegium ermöglichen.

Portrait Stefan Wolf

Stefan Wolf

Portrait Stefan Wolf

Stefan Wolf

Stefan Wolf ist Stiftungsmanager und Stiftungsberater (DSA) und evangelischer Theologe. Er hat vierzehn Jahre als Pfarrer in Deutschland und Toronto/Kanada gearbeitet. Seit 2007 ist er Geschäftsführer der Peter Gläsel Stiftung in Detmold, die von einem Familienunternehmer gegründet wurde und sich mit Bildungsinnovationen, der Entwicklung eines Bildungsmodells und der Schaffung innovativer Bildungseinrichtungen einen Namen gemacht hat. Außerdem ist er als Lernbegleiter an der Peter Gläsel Schule tätig.

Wirksam werden in kleinen Schritten

Entscheidend ist im Veränderungsprozess nicht der große Systemwechsel, sondern ein verlässlicher Rahmen für kleine, nachvollziehbare Schritte.

Stefan Wolf

Qualität durch Routinen, nicht durch Einzelprojekte

Nachhaltige Verbesserungen entstehen, wenn Zusammenarbeit wiederkehrend und transparent organisiert ist: klare Zuständigkeiten, kurze Abstimmungswege, regelmäßige Selbstreflexion – und die Bereitschaft, aus Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler zu lernen.

Beispiel

Ein Jahrgangsteam legt für jede Woche eine 15-minütige »Lernstands-Runde« fest (Montag, 7:45 Uhr). Dort werden kurz Daten (z. B. aktive Lernzeit, Abgabestand) gesichtet, zwei Folgeschritte festgelegt und Verantwortliche benannt. Die Entscheidungen werden in einem geteilten Protokoll dokumentiert.

Lernzyklen statt Einmal-Aktionen

Veränderungsprozesse gelingen, wenn sie als Lernzyklen verstanden werden: »planen - erproben - beobachten - anpassen«. Dazu gehört, vorab Kriterien zu benennen, woran sich Fortschritt erkennen lässt – etwa an der aktiven Lernzeit, an der Klarheit von Aufgaben oder an der Beteiligung der Lernenden. So entsteht eine Kultur, in der Erfolge überprüfbar und nächste Schritte begründbar sind.

Beispiel: »Aktive Lernzeit erhöhen«

  • Planen: Zwei Instruktionsphasen pro Stunde auf maximal 7 Minuten begrenzen; klare Startaufgaben bereithalten.
  • Erproben: Vorgehen in verschiedenen Klassen testen.
  • Beobachten: Mit einer einfachen Strichliste oder Timer messen, wie lange Lernende tatsächlich arbeiten; pro Stunde zwei kurze Beobachtungen (Störung, On-Task-Quote).
  • Anpassen: Nach zwei Wochen im Team auswerten und z. B. Startsignale oder Materialzugang nachjustieren.

Geschützter Rahmen und fokussierter Start

Wirksame Veränderungen brauchen Sicherheit: Es geht nicht darum, »alles« neu zu machen, sondern einen konkreten Schwerpunkt zu setzen, ihn in einem überschaubaren Zeitraum zu erproben und die Wirkung sichtbar zu machen.

Beispiel

Eine Schulleitung vereinbart für ein Halbjahr ein »Erprobungsfenster«: Wer einen Schwerpunkt umsetzt (z. B. »Transparente Aufgabenstruktur«), wird durch kollegiale Hospitationen unterstützt. Beobachtungsbögen sind lernorientiert, nicht bewertend. Nach sechs Wochen gibt es eine kurze, strukturierte Zwischenbilanz.

Interne Prozesse klären – Orientierung für den Alltag geben

Damit Lehrkräfte wirksam handeln können, brauchen sie eine tragfähige, alltagstaugliche Struktur und eine alltagsfähige Orientierung. Wo Kriterien transparent sind und Routinen greifen, werden Erfolge überprüfbar und nächste Schritte begründbar – im Unterricht, in der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern und in der kollegialen Zusammenarbeit. So entsteht eine Kultur, in der Lernen auf allen Ebenen stattfindet und Verantwortung geteilt wird.

Beispiel

Das Team nutzt ein gemeinsames Template für Unterrichtsleitfäden (»Ziele – Material – Ablauf – Missverständnisse – Messpunkte«) und hinterlegt zu jeder Einheit ein einseitiges Handout. Neue Kolleginnen und Kollegen können so unmittelbar anschließen.

Wirksam werden als Person

Authentizität, Nähe und Professionalität

Lehrkräfte sind nicht nur Stoffvermittler:innen, sondern Architekt:innen lernförderlicher Umgebungen, in denen Beteiligung, Sicherheit und Herausforderung zusammenfinden. Authentizität zeigt sich als Kongruenz – wenn Haltung, Sprache und Handeln übereinstimmen. Nähe entsteht, wo Lehrkräfte sich als Person zeigen: mit echtem Interesse, mit Humor und der Bereitschaft, Fehler zu benennen und daraus zu lernen. Professionalität wird sichtbar, wenn Grenzen klar sind, Erwartungen ausgesprochen werden und die gemeinsame Lernaufgabe im Mittelpunkt bleibt.

Wirksam werden im Team

Verschiedenheit als Stärke

Schule ist mehr als die Summe einzelner Lehrkräfte – sie ist ein multiprofessionelles Gefüge. Die Verschiedenheit der Professionen wird zur Stärke, wenn sie koordiniert ist: mit klaren Zielbildern, abgestimmten Verantwortlichkeiten und verlässlichen Kommunikationswegen. Teams, die ihre Rollen explizit klären, nutzen unterschiedliche Kompetenzen wirksamer: Wer beobachtet? Wer berät? Wer entscheidet? Wer informiert? Regelmäßige, kurze Fall- und Prozessbesprechungen mit klaren Aufträgen, Zuständigkeiten und Folgeterminen schaffen Orientierung – und machen aus gutem Willen wirksames Handeln.

Beispiel: »Checkliste«

  • Zielbild: Woran messen wir Fortschritt? Kriterien definieren.
  • Verantwortlichkeiten: Wer beobachtet, wer berät, wer entscheidet, wer informiert?
  • Kommunikation: Welche Wege nutzen wir wofür (kurz, verlässlich, dokumentiert)?
  • Rhythmus: kurze Fall-/Prozessbesprechungen mit Auftrag, Zuständigkeit, Termin festlegen.

Widerstand als Ressource

Widerstand im Kollegium ist keine Störung, sondern eine Information. Er macht unterschiedliche Perspektiven sichtbar – Sorge vor Mehrbelastung, unklare Erwartungen, schlechte Erfahrungen. Entscheidend ist, Einwände nicht zu übergehen, sondern in handlungsleitende Fragen zu übersetzen: Unter welchen Bedingungen wäre der Vorschlag tragfähig? Welche Unterstützung braucht es? Wer übernimmt welche Rolle?

Praxistipp

  • Transparenz: Anliegen bündeln und offen rückmelden (Was ist das Problem? Was wäre ein akzeptabler Kompromiss?).
  • Bedingungen klären: Zeitfenster, Umfang, Ressourcen, Entscheidungsspielräume festhalten.
  • Rollen & Zusagen: Zuständigkeiten benennen (Wer beobachtet? Wer unterstützt? Wer entscheidet?).
  • Freiwilligkeit nutzen: Einstieg mit Pilotgruppen; Teilnahme ermöglichen statt erzwingen.
  • Schnelle Sichtbarkeit: Früh erste Ergebnisse teilen (Kurz-Showcase im Team, 10-Min.-Erfahrungsbericht).

Wo Freiwilligkeit möglich bleibt und erste Resultate rasch sichtbar werden, wächst Vertrauen – und Vertrauen ist die Grundlage jeder Veränderung.

Wirksam werden gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern

Systematisches Einbeziehen

Die Stimme der Kinder und Jugendlichen ist unverzichtbar. Wer Unterricht wirksam gestalten und Lernen nachhaltig im Gedächtnis verankern will, bezieht die Lernenden systematisch ein: durch kurze, regelmäßige Feedbackmomente (»Was hat mir geholfen? Was hat gebremst?«), durch kleine Lernkonferenzen, in denen Arbeitsformen, Tempo und Unterstützungsbedarfe besprochen werden, und durch transparente Rückmeldungen der Lehrkraft, welche Anpassungen daraus folgen. So werden Schülerinnen und Schüler Partner der Qualitätsentwicklung – nicht Objekte pädagogischer Maßnahmen.

Praxistipp

  • Regelmäßiges Kurzfeedback: 1–2 Fragen am Stundenende.
  • Lernkonferenzen: 10–15 Minuten pro Einheit zu Tempo, Methoden, Unterstützung.
  • Transparenz: Lehrkraft zeigt auf, was aufgrund des Feedbacks geändert wird.
  • Ergebnis: Lernende werden Mitgestaltende – Wirksamkeit und Akzeptanz steigen.

Fazit

Eine Schule, die ihre internen Prozesse so gestaltet, entwickelt Schritt für Schritt eine Kultur gemeinsamer Verantwortung: Klare Routinen geben der Arbeit Halt; Widerstände werden als Ressource genutzt; die Perspektive der Lernenden fließt systematisch ein; und die Zusammenarbeit erfolgt multiprofessionell – nicht nebeneinander, sondern miteinander. Veränderung wird so nicht zum Ausnahmezustand, sondern zum normalen Modus des gemeinsamen Lernens. Unterrichtsqualität wächst dort, wo Kommunikation verlässlich ist, Rollen geklärt sind und alle Beteiligten wissen, woran sie gute Arbeit erkennen.

Stefan Wolf

Peter Gläsel Schule

Die Peter Gläsel Schule ist eine freie Grundschule in Detmold. Trägerin ist die Peter Gläsel Stiftung. Ihre pädagogische Grundlage bildet das PRRITTI®-Bildungsmodell, das individuelles, angstfreies Lernen und eigenaktive Beteiligung der Kinder in den Mittelpunkt stellt. Lehrkräfte agieren als Lernbegleiter:innen; Lernen findet in kooperativen, transparent strukturierten Settings statt. An der Schule gibt es keine Fächer, sondern Lernangebote und statt Noten Lernberatungen. Die Schule wird seit ihrer Gründung 2015 vom Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Paderborn wissenschaftlich begleitet. 

Foto von der Peter Gläsel Schule
Peter Gläsel Schule
© Birgit Sanders

Zum Weiterlesen

Wolf, Stefan / Köhler, Josef: Das Buch: Das Buch - oder wie die Kunst zu Bilden zur Bildungskunst und zum PRRITTI-Bildungsmodell führte. Books on Demand, 2017.

Grafik zur Veranschaulichung des Bereiches Literatur unseres Hybriden Lernraums. Ein Pfeil zeigt auf drei Buecher, die neben einem Werkzeugkasten stehen.

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