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Raum für kreatives Denken im Unterricht

Im Gespräch mit Ingrid Gündisch

Kreatives Denken

Über Kreativität als wichtige Zukunfts-Kompetenz wird viel diskutiert. In der Begabungsförderung ist Kreativität schon seit langem etabliert. Kreatives Denken »Out of the box« im Regelunterricht stößt aber nicht immer auf offene Ohren oder wird gerne mit den Fächern Kunst und Musik assoziiert. Dabei eignet sich kreatives Unterrichten für alle Schülerinnen und Schüler und unterstützt sie, ihre Interessen und Talente zu entdecken. Kreativität gehört deshalb in jede Schule, an jeden außerschulischen Lernort, in jedes Unterrichtsfach.

Ingrid Gündisch, Diplom-Regisseurin und Dozentin, fotografiert von Stefan Loeber
Ingrid Gündisch
© Stefan Loeber

Ingrid Gündisch

Ingrid Gündisch studierte Regie an der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« in Berlin und arbeitet als selbstständige Regisseurin. Außerdem ist sie Dozentin in der Hochschullehre für Körpersprache und Bühnenpräsenz, Stimm- und Sprechtraining, Gelassenheit und Resilienz, Spontaneität und Kreativität in der Lehre (LMU München, Universität Hamburg u. a.). Das Thema »Mehr Kreativität für die Lehre« ist ihr ein Herzensthema seit sie bei der Deutschen SchülerAkademie andere Unterrichtsformen kennengelernt hat.

Unterrichtsmethoden, die auf Kreativität fußen, verändern die Rolle der Lehrkraft, führen zu einer neuen Lernkultur und machen den Unterricht spannender und tiefgründiger.

Ingrid Gündisch

Zum Thema

Lehrende, die in ihrem Unterricht mehr Raum für kreatives Denken einräumen möchten, können starten, indem sie sich zunächst diese grundsätzlichen Fragen stellen:

Welche Einstellung haben Sie selbst zu Kreativität und wie leben Sie Ihre Kreativität ihren Schülerinnen und Schülern vor? Wie würde sich möglicherweise Ihre Rolle gegenüber den Lernenden verändern, wenn Sie mehr Kreativität zulassen? Können Sie sich durch kreative Lernmethoden selbst zurücknehmen und den Jugendlichen mehr (Frei)Raum für ihren Lernprozess geben?

Kreativem Denken im Unterricht Raum geben, heißt:

  • auf offene Lernformen und freie Arbeitsphasen setzen
  • die Perspektive wechseln und Fragen neu stellen
  • die Schülerinnen und Schüler in die Gestaltung ihrer Lernprozesse einbeziehen und intrinsische Motivation stärken
  • unterschiedliche Lösungswege akzeptieren und zum Andersdenken ermutigen
  • einen angstfreien Raum schaffen und Fehler als Teil des Lernprozesses willkommen heißen
  • Kreativitätstechniken vorstellen und trainieren
  • kreative Ideen belohnen
  • Arbeiten ohne Zeitdruck ermöglichen
  • Individualität zulassen
  • Kommunikation und Austausch Raum geben
  • kreative Menschen in den Unterricht einladen

Drei Fragen an Ingrid Gündisch

Wie können Lehrkräfte die Kreativität ihrer Schülerinnen und Schüler fördern? Wir haben die Regisseurin und Dozentin Ingrid Gündisch um Tipps und Hinweise gebeten.

Frau Gündisch, mehr Kreativität im Unterricht bedeutet, dass Lehrpersonen die Sicherheit eines durchgeplanten Unterrichts eintauschen gegen einen weniger vorhersehbaren Unterrichtsablauf und gegebenenfalls improvisieren müssen. Wie würden Sie Lehrenden die Angst davor nehmen?

Um kreativ zu sein, muss ich mich auf die Situation einlassen, versuchen ganz im Augenblick aufzugehen und den Erfolgsdruck – »es muss ganz toll werden« – rauszunehmen. Nur dann können die Gedanken schweifen und die Ideenflut einsetzen. Gerade Lehrpersonen stehen aber selbst oft unter einem sehr großen Erfolgsdruck. Um Kreativität Raum zu geben, brauchen wir offene Fragestellungen, die vielfältig und auch überraschend beantwortet werden können und müssen riskieren, auch mal zu scheitern. Auch mal keine Ideen zu haben. Auch mal nicht weiter zu wissen. Da uns das im Leben noch begegnen wird, ist das nicht schlimm, sondern eine wichtige Erfahrung. Wenn es die Lehrpersonen nicht ängstigt, eine Aufgabe »noch« nicht erfüllt zu haben, lernen die Kinder das frühzeitig und verlieren selbst die Angst davor.

Können Sie uns eine gängige Methode oder Übung nennen, die Lehrkräfte in ihren Unterricht integrieren können, um Kreativität anzuregen?

Die Gruppe steht im Kreis und wirft sich einen echten oder einen imaginären Ball zu. Beim Werfen wird ein Wort ausgesprochen, das beim Fangen zunächst wiederholt wird. Es folgt eine freie Assoziation auf das Wort mit dem nächsten Wurf des Balles. Das Wort wird beim Fangen wiederholt, und wieder wird frei assoziiert. So kann eine schöne Wortkette entstehen: Schule, Spaß, Wasser, Urlaub, Frankreich, Frühstück, müde, Party … Wichtig ist nur, dass nicht zu lange nachgedacht wird, die Worte frei zum letzten Wort assoziiert werden und man nicht in einer sprachlichen Blase bleibt, beispielsweise nur lauter unterschiedliche Tiere nennt. Die Übung macht Spaß und fördert das Zulassen von vielen gedanklichen Möglichkeiten.

Ihre wichtigsten Dos und Don’ts für mehr kreatives Denken im Unterricht?

  • Raum zum Wohlfühlen etablieren.
  • Divergentes Denken fördern durch offene Aufgabenstellungen.
  • Teamwork und Einzelarbeiten abwechseln.
  • Inspirationsquellen zulassen / Recherchezeit einplanen.
  • Freiheiten schaffen: Zeit lassen, Auswahl an Materialien und Arbeitsweisen.
  • Und bitte keine guten Beispiele zeigen, bevor die Arbeit losgeht – das inspiriert nicht, sondern schüchtert ein und nimmt den Spaß.

Zum Weiterlesen

Prof. Dr. Tanja Gabriele Baudson, Professorin für Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik an der Vinzenz Pallotti University in Vallendar, hat im Rahmen unseres Formats »Call your expert« die Frage beantwortet, wie Kreativität im Unterricht trainiert werden kann.

Kreativität im Unterricht

Buchtipps

Julia Sophie Haager, Tanja Gabriele Baudson: Kreativität in der Schule – finden, fördern, leben. Springer, 2019.

Leonard Sommer: Wenn Schule auf Ideen bringt. Vahlen, 2023.

Bernd Weidemann: Mini-Handbuch: Kreativ Probleme lösen. Beltz, 2020.

Hybrider Lernraum

Das Format »Im Gespräch mit« ist Teil des Hybriden Lernraums. Hier finden Sie für Ihre Arbeit in Schule oder an außerschulischen Lernorten Methoden, Informationen und Praxistipps aus Wissenschaft und Praxis – als Texte, Podcasts, Videos oder Workshops.

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