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Lehren und lernen neu denken – Wie Schulen Veränderung starten können

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Schulen machen sich auf den Weg

Die fortschreitende Digitalisierung, der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und die wachsende Bedeutung der sogenannten »Future Skills« fordern Schulen heraus, Schule neu zu denken. Den Schulen ist bewusst, dass sich Lehren und Lernen verändern müssen, um Kinder und Jugendliche bestmöglich auf ihre Zukunft vorzubereiten. Doch oft fehlt es ihnen an Orientierung, wie dieser Veränderungsprozess angestoßen und strukturiert werden kann. Wir haben Juliane Rau von beWirken gefragt, wie der Wandel erfolgreich gelingen kann.

Portrait Juliane Rau

Juliane Rau

Portrait Juliane Rau
© beWirken

Juliane Rau

Juliane Rau ist ausgebildete Lehrerin, hat sechs Jahre lang an einer Berliner ISS die Fächer Politik/Geschichte und Spanisch unterrichtet. Seit zwei Jahren ist sie für beWirken als Expertin für selbstorganisiertes Lernen und Lernbegleitung in ganz Deutschland an Schulen unterwegs, die sich auf den Weg zu einer zukunftsfähigen Lernkultur machen wollen oder bereits gemacht haben. Entsprechend bringt sie ihre Einsichten, Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Begleitung von Schulen mit, die den Lernkulturwandel mitgestalten. Juliane Rau kennt viele Stellschrauben, Hürden und Erfolgsgeschichten, von denen sie berichten kann.

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Fünf Fragen an Juliane Rau

Frau Rau, zunächst ganz grundsätzlich: Was macht aus Ihrer Sicht eine zeitgemäße Schule aus?

Eine zeitgemäße Schule ist ein Ort, der die Kompetenzen und Potenziale, die Fragen und Herausforderungen junger Menschen in den Mittelpunkt stellt. Lernen wird als etwas Lebendiges verstanden: vernetzt, sinnstiftend und mit Raum für eigene Wege. Lehrkräfte werden zu Lernbegleitungen und unterstützen individuelle Lernprozesse.

Hier geht es nicht nur um Fachwissen, sondern auch darum, Zukunftskompetenzen wie kritisches Denken, Kreativität, Zusammenarbeit und Selbstorganisation zu üben. So bildet die Schule der Zukunft Kinder und Jugendliche zu aktiven Gestalter:innen ihrer Welt aus. Sie erleben echte Mitgestaltung und lernen, Verantwortung für sich, ihre Schulgemeinschaft und die Gesellschaft zu übernehmen. So werden sie befähigt, sich in einer komplexen, global vernetzten und sich ständig verändernden Welt zu bewegen und diese mitzugestalten. Das klingt nach einer weit in der Zukunft liegenden Utopie, doch es gibt schon heute so viele tolle Beispiele dafür, wie es gehen kann!

Und wenn wir diesen »Idealzustand« mit der Realität vergleichen: Wo stehen die meisten Schulen heute?

Viele Schulen haben erkannt, dass sie sich verändern müssen. Aber im Alltag sieht man vorrangig noch die klassischen Strukturen: starre Fächerlogik, enge Zeitpläne, Fokus auf Wissensabfrage am Ende einer Lehreinheit statt auf den Prozess des Kompetenzerwerbs. Es gibt viele großartige Projekte und engagierte Kollegien, doch sie wirken noch wie Inseln. Der große Wandel in der Breite steht noch aus.

Woran liegt das? Was fällt den Schulen besonders schwer?

Schulen bewegen sich in einem engen Korsett aus Lehrplänen, Prüfungsdruck und strukturellen Vorgaben. Das ist kein veränderungsfreundliches Umfeld, denn Veränderung braucht Zeit, Freiräume und Vertrauen. 

Außerdem unterschätzen viele, wie grundlegend ein tatsächlicher Lernkulturwandel sich gestaltet. Große Herausforderungen brauchen tiefgreifende Lösungen. Es geht nicht einfach um eine neue Methode oder ein neues Material – es geht darum, Schule als Ganzes neu zu denken, beengende Strukturen aufzubrechen und ganz neue Wege zu gehen. Schulleitungen müssen visionär sowie strukturiert vorangehen, Ängste nehmen, Sicherheit geben und echte Veränderungsprozesse gestalten. Die Expertise, wie solche weitgreifenden Veränderungen gut begleitet, Ressourcen dafür gewonnen werden können, fehlt jedoch vielen Schulen. Sie sind es oft auch gar nicht gewohnt, eigenständig Transformationen anzustoßen. So warten viele noch auf klare Vorgaben von oben, statt selbst ins Handeln zu kommen.

Wir sprachen eingangs über das Motto »Gemeinsam Schule verändern«: Wie können die Voraussetzungen geschaffen werden, damit Veränderung gemeinsam mit allen Akteuren innerhalb der Schule gelingt? 

Veränderung braucht echte Beteiligung. Ein guter Start ist eine Zukunftswerkstatt, an der die gesamte Schulgemeinschaft teilnimmt und bei der Lehrende, Lernende, Eltern, Schulträger sowie interne und externe Partner*innen gemeinsam an einer Vision arbeiten. Dazu gehört vorab auch eine Analyse des Status Quo: Wir starten in der Regel mit Befragungen unterschiedlicher Beteiligter, werten die Ergebnisse gemeinsam aus und erkennen so blinde Flecken und Chancen. Besonders wichtig ist für uns auch unsere Mission-Schulumfrage für die Schüler:innenschaft. Ihre Perspektiven sind zentral, um echte Veränderung anzustoßen. Wer früh die Vielfalt der Stimmen einbindet, schafft Vertrauen und eine starke Basis für den Wandel.

Zum Abschluss ein Wort der Ermutigung für alle, die gerade dabei sind, sich auf den Weg zu machen?

Veränderung ist kein Sprint – sondern eine Reise. Und der erste Schritt zählt mehr als das perfekte Konzept. Alle Schulen, zu denen wir schauen, um zu verstehen, wie Schule neu gedacht werden kann, die uns inspirieren und motivieren, Veränderung anzustoßen, sehen sich selbst auf dem Weg, den sie mit Freude weitergehen. Lassen Sie sich mitreißen, kommen Sie in den Austausch und nehmen Sie dann wieder andere mit auf diesem Weg. Es ist eine gemeinsame Reise und es gibt heute viele Schulen, Initiativen und Menschen, die die gleichen Ziele verfolgen.

Tipps und erste Schritte

Tipps von Juliane Rau für eine neue Lern- und Schulkultur

Ganzheitlicher Blick auf Veränderungsprozesse

»beWirken« spricht von den »fünf Dimensionen des Lernkulturwandels«. Die fünf Dimension, wie sie in »UnLearn School – Auf dem Weg zum Lernen der Zukunft« aufgeschlüsselt werden, dienen als Leitlinien für Schulen, die ihre Schulkultur transformieren und zukunftsorientiertes Lernen ermöglichen möchten:

  1. Eigenverantwortliches Lernen der Lernenden
    Ein zentrales Ziel von Schule ist es, Schüler:innen zu befähigen, ihr Leben und Umfeld aktiv zu gestalten. Dazu braucht es neue Lernkonzepte, um jungen Menschen Selbstwirksamkeitserfahrungen zu ermöglichen.
  2. Lernbegleitung und selbstorganisiertes Lernen
    Lehrkräfte agieren als Lernbegleiter:innen, die den Lernenden in offenen Lernformen ermöglichen, ihre Lernwege eigenständig zu organisieren.
  3. Lernorte
    Lernumgebungen werden funktional und flexibel gestaltet, um unterschiedliche Lernformen zu unterstützen und das Lernen über traditionelle Klassenzimmer hinaus zu ermöglichen.
  4. Lernen in der Digitalität
    Digitale Medien und Technologien werden integrativ eingesetzt, um neue Lernformen zu ermöglichen und die digitale Kultur in den Bildungsprozess einzubinden.
  5. Zusammenarbeit in der Schulgemeinschaft
    Eine kooperative Schulgemeinschaft, in der alle Beteiligten gemeinsam an der Schulentwicklung mitwirken, fördert eine nachhaltige Veränderung der Schulkultur.

Erste Schritte in der Praxis

  1. Kollegium befragen und empowern
    Am Anfang steht immer ein ehrlicher Blick: Wo stehen wir? Eine Umfrage im Kollegium schafft erste Klarheit. Danach geht es darum, Sinn-Erleben und Selbstwirksamkeit wieder aufzubauen. Viele Lehrkräfte fühlen sich angesichts von PISA-Debatten und Leistungsdruck entmutigt. Dabei leisten sie Erstaunliches unter schwierigen Bedingungen wie Superdiversität, Personalmangel und Infrastrukturproblemen. Diese Leistungen müssen wertgeschätzt werden – durch Schulleitungen und auch im Kollegium. Nur wer Sinn und Anerkennung spürt, kann sich auf eine intensive, unsichere Transformationsphase wirklich einlassen.
  2. Governance entwickeln
    Außerdem kann eine klare Governance der Veränderung ein erster Schritt sein. Es gilt, Klarheit über die Gestaltung von Entscheidungswegen, Verantwortlichkeiten und Kooperationsstrukturen zu schaffen, die es allen Beteiligten ermöglichen, gemeinsam und wirksam die Schule weiterzuentwickeln.
  3. Vision entwickeln und umsetzen
    Und dann braucht es ein ehrliches und waches Hinterfragen des Status Quo: Was brauchen die jungen Menschen heute und morgen? Schafft unser System es, dem gerecht zu werden? Hospitationen können helfen, eine Vision der Schule der Zukunft zu entwickeln und mit alten Gedankenmustern zu brechen. Kleine, konkrete Experimente im Alltag sind dann wichtige Türöffner. Entscheidend ist: schnell ins Tun kommen, Erfahrungen sammeln und daraus gemeinsam lernen.

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