Zum Hauptinhalt der Seite springen

Trainingsvideo »Ein Ort, der Schule genannt wird: offene und flexible Klassenräume«

Grafik zur Veranschaulichung des Bereiches Videos unseres Hybriden Lernraums. Ein Pfeil zeigt auf ein Notebook, auf dem ein Fenster zu erkennen ist, in welchem ein Video abgespielt wird. Das Notebook steht dabei vor einem Werkzeugkasten.

Trainingsvideo mit Micha Pallesche

Zusammenfassung des Trainingsvideos

  • Entgrenzung von Zeit-, Fach- und Raumstrukturen
  • Lehr- und Lernprozesse neu denken
  • Schule öffnen ins Quartier
  • Vernetztes Lernen in realen Fragestellungen

Ein Ort, der Schule genannt wird

Traditionelle Lehr- und Lernprozesse können junge Menschen heute nicht mehr auf das vorbereiten, was sie nach der Schule erwartet: Eine Zukunft, die deutlich komplexer, digitaler und vernetzter sein wird, als es bisherige Generationen erlebt haben. Es braucht daher eine zukunftsorientierte Neugestaltung von schulischer Lernkultur. Im Trainingsvideo zeigt Schulleiter Micha Pallesche, wie veränderte Lehr- und Lernprozesse aussehen können, wie Schule als offener und partizipativer Ort gestaltet werden kann und mit welchen Umsetzungsschritten Veränderungen eingeleitet werden können, ohne Schule zu überfordern. Die Zusammenfassung dieses Beitrags einschließlich der Tipps und Impulse können Sie unter Downloads als Arbeitsblatt zum Speichern oder Ausdrucken herunterladen.

Micha Pallesche

Micha Pallesche

Micha Pallesche leitet seit 2015 die Ernst-Reuter-Schule in Karlsruhe, die sich unter seiner Federführung zu einer bekannten, mehrfach ausgezeichneten Schule entwickelt hat. Zuvor war Micha Pallesche lange Jahre neben seinem Lehrerberuf an das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg abgeordnet. Seit 2012 promoviert er an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Sein »Innovation-Lab«, das Konzept der »Lerninseln« und des partizipativen Kommunikationsmodelles »Roter Salon« sind im Prozess seiner Forschung entstanden. Micha Pallesche wird als Keynotespaker, Interviewpartner, Moderator, Fortbildner und Berater gebucht.

Zur Ernst-Reuter-Schule Karlsruhe

Lehr- und Lernszenarien verändern sich

Schulen sehen sich vor die Aufgabe gestellt, die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen in Schule aufzugreifen und Kinder und Jugendliche mit entsprechenden Kompetenzen für die kommenden Herausforderungen zu stärken. Was aber brauchen junge Menschen genau, um sich in einer »verknüpften analogen und digitalen Realität«, wie es Felix Stalder1 formuliert, zurechtzufinden?

Digitale Geräte allein verändern nicht das Lernen, sagt Micha Pallesche. Es muss vielmehr darum gehen, den Jugendlichen beizubringen, mit komplexen Fragestellungen umzugehen (Peter Kruse2), in Wissensnetzen zu arbeiten und sich aktiv in den eigenen Lernprozess einzubringen.

Die Schulen sind herausgefordert, auf der einen Seite das individuelle Potenzial der einzelnen Schülerinnen und Schüler zu fördern, auf der anderen Seite aber auch das kooperative Lernen in der Gemeinschaft anzuleiten. Es braucht künftig andere Aufgabenformate, die ohne Lösungsmuster auskommen und co-kreative Lernprozesse unterstützen. Schulen müssen auch Antworten darauf finden, dass Lernen und Arbeiten nicht mehr an einen festen Ort gebunden sind: Mobiles Lernen macht Schule an vielen Orten möglich, auch an außerschulischen Lernorten.

»Zeitgemäße Lehr und Lernformate«

  • Entgrenzung von Zeitstrukturen: »Klassische Zeitformate sind zu kurz, um das Lernen an anderen Orten mitzudenken.«
  • Entgrenzung von Fachstrukturen: »Die Welt draußen ist auch nicht in Fächer unterteilt«.

Praxisimpuls »Themenorientiertes Arbeiten«

  • Grenzen zwischen den Nebenfächern auflösen.
  • Themen identifizieren, in denen die verschiedenen Fächer verortet werden können. Beispiel »Energie« als Thema für die Fächer Physik und Biologie.
  • Durch das übergreifende Arbeiten entstehen Zeitfenster, in denen länger intensiv gearbeitet werden kann (vier Stunden).
  • Lernen in Projekten: Schüler und Schülerinnen beschäftigen sich mit komplexen, fächerübergreifenden Fragestellungen.
  • Leistungsdokumentation: Schülerinnen und Schüler dokumentieren, woran sie arbeiten, zum Beispiel in einem Portfolio. Am Ende stehen »Produkte« (Modell, Erklärvideo, Plakat oder ähnliches), die bewertet werden können.
  • Schülerinnen und Schüler sind selbst Teil ihrer Lernprozesse.

»Schule als partizipativer Ort«

  • Schule öffnen ins Quartier
  • Vernetztes Lernen
  • Entgrenzungskultur

Praxisimpulse

  • Im und vom Kollegium lernen.
  • Räume öffnen und anders nutzen: Klassenräume, Flure, Campus.
  • Expertinnen und Experten in Schule hineinholen.
  • Wissensnetze schaffen, mit außerschulischen Partnern Lernen neu denken.
  • System etablieren, in dem alle voneinander profitieren.

»Erste Schritte für den Start«

  • Mit den jeweiligen Eingangsklassen beginnen, nicht die ganze Schule auf einmal verändern wollen.
  • Die Schulfamilie und die Stadt oder Region mitdenken.
  • Verbündete suchen und mit konkreten Ideen begeistern.
  • Schülerinnen und Schüler am Veränderungsprozess beteiligen.
  • Eltern einbeziehen und ihre Talente und Kontakte in den Prozess einbeziehen.
  • Aktiv auf außerschulische Partner zugehen.
  • Mutig sein und neue Formate ausprobieren.
  • Auf Widerstände vorbereitet sein und sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen.

Praxisimpuls »Roter Salon«

  • Ziel: gemeinsame innovative Weiterentwicklung von Schule.
  • Format, bei dem zweimal im Jahr Schülerinnen und Schüler, Kollegium und Eltern eingeladen werden und Schulentwicklungsprozesse anstoßen.
  • »Whole School Approach«: Schulentwicklung gelingt mit allen Beteiligten. Lösungen sind legitimiert, weil sie von der Gemeinschaft entwickelt und getragen werden.
  • Durchführung zum Beispiel als Design-Thinking-Prozess.
  • Kreativ sein in den Fragestellungen.
  • Verbindlichkeit als Selbstverpflichtung, umsetzen, was die Schulgemeinschaft beschließt.
  • Rahmen schaffen, in dem sich alle wohlfühlen.

Impulse zum Trainingsvideo

Themenorientiertes Arbeiten

Beim themenorientierten Arbeiten werden tradierte Fachstrukturen aufgebrochen. Ihre Inhalte werden in eine mehrwöchige Projektarbeit überführt, die den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gibt, sich in Gruppen intensiv und eigenverantwortlich mit den ausgewählten Themen auseinanderzusetzen. Dabei lernen die Schülerinnen und Schüler auch andere Formen der Leistungsmessung kennen, zum Beispiel in Form von produktorientierten Erklärvideos, Modellen, Präsentationen oder Portfolios.

Beispielaufgaben der Ernst-Reuter-Schule

  • Thema »Energie«: Schülerinnen und Schüler identifizieren im Supermarkt Lebensmittel, die besonders viel Energie enthalten. Sie fotografieren die Etiketten und lernen Begriffe wie Kilojoule oder Kilokalorien kennen. Sie berechnen, wieviel Energie in Lebensmitteln steckt, zum Beispiel in einem Stück Schokolade, und welche Tätigkeiten sie mit dieser Energie ausführen können. Abschließend werden andere Formen und Kontexte von Energie besprochen, beispielsweise die sogenannte »Soziale Batterie« (Energie für soziale Kontakte).
  • Thema »Raps als Bienenfreund«: Zusammen mit Lehrkräften und einem lokalen Imker pflanzen die Schülerinnen und Schüler Raps an. Sie beobachten die Auswirkungen verschiedener Erdarten auf das Wachstum und messen Temperatur und Feuchtigkeit. In den verschiedenen Töpfen simulieren sie den Klimawandel und lösen entstehende Probleme co-kreativ.

Co-kreatives Lernen

Um die Entwicklung co-kreativer Kompetenzen anzusprechen, werden an der Ernst-Reuter-Schule Karlsruhe zum Beispiel Aufgaben gestellt, für die die Schüler keine Lösungsmuster haben. Teilweise müssen die Schülerinnen und Schüler für die Bearbeitung der Aufgaben auch das Klassenzimmer verlassen.

Beispielaufgabe an der Ernst-Reuter-Schule

Die Schülerinnen und Schüler werden an einen hässlichen Ort geschickt (in diesem Fall das Einkaufszentrum) und sollen dort die hässlichsten Ecken fotografieren. Anschließend werden sie gebeten, sich vorzustellen, dass sie an einem Wettbewerb teilnehmen, bei dem Deutschlands schönste Stadt gesucht wird. Dafür müssen sie ihre Bilder verwenden und eine Lösung finden, wie sie ihre Fotos umdenken und in eine Geschichte einbetten können, um erfolgreich teilzunehmen.

Lerninseln

Schule steht als fixer Ort häufig noch im Zentrum der Lernprozesse. Dabei braucht Lernen nicht einen statischen Ort, sondern ist ein agiler Prozess, der auch an außerschulischen Lernorten stattfinden kann. Das »Lerninsel«-Konzept der Ernst-Reuter-Schule öffnet Schule nach außen und erschließt außerschulische Lernorte. Diese Orte werden in einer interaktiven Karte der Stadt verortet und können von den Schülern via App für Selbstlernphasen gebucht werden. Mit den vielfältigen Angeboten der Lerninseln wird Lernen in der »realen Welt« ermöglicht.

Im Konzept unterschieden werden dabei fünf verschiedene Lerninsel-Typen:

Lerninsel – Typ 1:
»Orte der digitalen Teilhabe«: Orte mit freiem WLAN-Zugang und/oder Zugang zu Expertinnen und Experten

Lerninsel – Typ 2:
»MINT-Spaces«: inner- und außerschulische AGs

Lerninsel – Typ 3:
»Digitale Dritte Orte«: Orte mit digitalen Medien zum Lernen wie Bibliotheken oder Universitäten

Lerninsel – Typ 4:
»Beteiligungsorte + MINT-Ausstellungsräume«: Orte, wo Einzelaktionen stattfinden, zum Beispiel Museen, Jugendzentren oder Theater

Lerninsel – Typ 5:
»Digitale Wissensräume«: digitale Plattformen zum Vernetzen und Lernen

Alle Lerninsel-Typen haben zum Ziel, Teilhabeprozesse in einer Kultur der Digitalität in einer guten infrastrukturellen Ausstattung und mit den Möglichkeiten zu gemeinschaftlichem, partizipativem und co-kreativem Arbeiten sowie einen Austausch zu ermöglichen. Dabei können sowohl leerstehende Cafés, Büro- und Gewerberäume, Räume in Jugendhäusern oder Sportvereinen, aber auch virtual spaces zu Lerninseln werden.

Praxisimpuls

Überlegen Sie, gerne auch in einem gemeinsamen Brainstorming mit Kolleginnen und Kollegen:

  1. Wie können Sie an Ihrer Institution Lerninseln bilden?
  2. Welche Kooperationspartner aus der Umgebung fallen Ihnen direkt ein?
  3. Wie nehmen Sie das Kollegium mit und überzeugen andere?
  4. Wo sehen Sie Schwierigkeiten?

How to Roter Salon

Möchten Sie selbst einen Roten Salon organisieren? So können Sie das Format in Ihrer Schule umsetzen:

  1. Finden Sie, sofern möglich, Gleichgesinnte im Kollegium, mit denen Sie das Projekt angehen können.
  2. Laden Sie Schülerinnen und Schüler, Eltern, andere Lehrkräfte und mögliche Kooperationspartner aus dem Umfeld ein.
  3. Schaffen Sie eine angenehme, aber produktive Atmosphäre wie in einer Lounge oder einem Co-Working-Space.
  4. Mischen Sie die Gruppen so, dass alle Gremien in einer Gruppe vertreten sind.
  5. Starten Sie mit einer kurzen Auftakt-Challenge, um ein »Wir-Gefühl« zu erzeugen.
  6. Halten Sie eine Problem- oder Fragestellung bereit, die anschließend bearbeitet wird, beispielsweise mit der »Design Thinking« Methode.
  7. Sorgen Sie für Ergebnisoffenheit.

Ziele und Voraussetzungen sind:

  • Partizipation, Innovation, Legitimation
  • Erstellung von Prototypen
  • Blumenstrauß an Ergebnissen
  • Gemeinsame Abschlussbesprechung
  • Umsetzung mindestens einer Idee im Anschluss

Zum Weiterlesen

Beutel, Silvia-Iris; Höhmann, Katrin; Pant, Hans Anand; Schratz, Michael (Hrsg.): Handbuch gute Schule. Sechs Qualitätsbereiche für eine zukunftsweisende Praxis. Kallmeyer in Verbindung mit Klett, 2017 [vergriffen; Neuauflage geplant].

Burow, Olaf-Axel: #Schule der Zukunft. Sieben Handlungsoptionen. Beltz, 2022.

Hauck-Thum, Uta; Noller, Jörg (Hrsg.): Was ist Digitalität?: Philosophische und pädagogische Perspektiven. J.B. Metzler Verlag, 2021.

Pallesche, Micha: Indikatoren schulischer Transformationsprozesse unter den Bedingungen von Digitalität und Nachhaltigkeit. In: Medienpädagogik. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, Heft 52, 2023. Zum Artikel

Rolff, Hans-Günter: Schulentwicklung kompakt: Modelle, Instrumente, Perspektiven. Beltz, 2023.

Weyland, Beate; Watschinger, Josef (Hrsg.): Lernen und Raum entwickeln. Gemeinsam Schule gestalten. Klinkhardt, 2017.

Zyka, Johannes: Schule auf dem Weg zur personalisierten Lernumgebung. Modelle neuen Lehrens und Lernens. Beltz, 2017.

Grafik zur Veranschaulichung des Bereiches Literatur unseres Hybriden Lernraums. Ein Pfeil zeigt auf drei Buecher, die neben einem Werkzeugkasten stehen.

Quellen

1Felix Stalder ist Professor für »Digitale Kultur und Theorien der Vernetzung« an der Züricher Hochschule der Künste. Schon 2016 setzte er sich in seinem Buch »Kultur der Digitalität« mit den gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung auseinander. Zurück zum Text.

2Der Psychologe Peter Kruse (ꝉ 2015) lehrte an der Universität Bremen. Er beschäftigte sich intensiv mit dem Thema Komplexität und mit der Frage, wie Individuen und Organisationen sich an eine immer komplexer werdende Welt anpassen. Zurück zum Text.

Downloads

Weitere Trainingsvideos im Hybriden Lernraum

Hybrider Lernraum

Die Trainingsvideos sind Teil des Hybriden Lernraums. Hier finden Sie für Ihre Arbeit in Schule oder an außerschulischen Lernorten Methoden, Informationen und Praxistipps aus Wissenschaft und Praxis – als Texte, Podcasts, Videos oder Workshops.

Zurück zur Startseite

Sie haben Fragen zu unseren analogen und digitalen Formaten?

Schreiben Sie uns gerne!